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EU: Ist die Größe das große Problem?

„Small is beautiful“ Die EU wird immer größer. Um aus […]

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„Small is beautiful“

Die EU wird immer größer. Um aus der Krise herauszufinden, benötigt sie dringend Wirtschaftswachstum. Was steht dem Wachstum im Weg? Die Schuldenberge oder die Währungsunion?

von Raoul Sylvester Kirschbichler

Es wird höchste Zeit ein wenig Abstand zu nehmen von den Geschichten über die europäischen Völker, die sich über mehrere Generationen hindurch die Köpfe eingeschlagen haben, ehe sie sich dann doch geläutert an einen gemeinsamen Tisch setzten und sich zur friedlichen Zusammenarbeit auf dem Kontinent Europa bekannt haben. Die Europäische Union hat den Friedensnobelpreis im Jahr 2012 erhalten. Aus gutem Grund, wie ich meine.

Die Europäer wünschen sich neue Geschichten, die uns fesseln, faszinieren, uns wieder hoffen lassen – sie wünschen sich eine Vision an die sie gerne glauben können. Aber Visionen, mit denen wir uns auch indentifizieren können, sind im Europa der Schuldenberge rar geworden.

Das tief greifende ökonomische Dilemma hat alles überlagert. Es hat seinen Anfang genommen, als der globale Kapitalismus auf den unvollendeten Zusammenschluss verschiedener Nationalstaaten getroffen ist, die immer noch in Konkurrenz zueinanderstehen. Das Ergebnis kennen wir mittlerweile, nun wächst bereits der Ärger über die Ausweglosigkeit, über den spürbaren Stillstand. Schließlich hatte Brüssel, Wohlstand und Wachstum für alle versprochen. Der Kapitalismus dreht sich primär um Wachstum. Auch Brüssel weiß, dass es ohne Wachstum kein Ende der Krise geben wird.

Was steht dem Wachstum im Weg? Die Schuldenberge? Es ist eher der Größenwahn als die tiefroten Budgetzahlen der Nationalstaaten. Die Expansionsgelüste haben eine Größe entstehen lassen, die, so ist Brüssel überzeugt, sich nur durch mehr Kontrolle und noch mehr Regulierung beherrschen lässt. Entsprechend denken wir automatisch an die Institution EU, wenn wir von Europa und europäischer Einigung reden. Auch wenn wir Lösungen zur Schulden- und Eurokrise suchen, denken wir an die Europäische Zentralban (EZB) oder an den Internationalen Währungsfonds (IWF).

Ob wir Zyprioten oder Österreicher sind, Griechen oder Deutsche: Es entspricht nicht unseren Vorstellungen von einer Währungsunion, wenn Troika und Europäische Zentralbank über nationale Budgets entscheiden oder wenn Budgetrichtlinien in Brüssel von Deutschland diktiert, und dann als gemeinsamer EU-Rettungsplan präsentiert wird, weil ganze Staaten, vor allem aber ihre Banken, angeblich gerettet werden müssen. Bei allem Respekt vor den Garantien, die Deutschland für andere Staaten übernimmt, die daraus abgeleitete politische Entscheidungsgewalt ist beängstigend.

Die Ökonomisierung wird durch die europäische Einigung gefördert. Wir begreifen die Europäische Union schon lange nicht mehr als Friedensprojekt, als kulturellen Gewinn, sondern als Wirtschaftsblock, der Vorteile bringt im Wettkampf mit anderen Weltwirtschaftsmächten. Darauf muss mittlerweile alles zugeschnitten werden auch, um später leichter kontrolliert und – wenn notwendig – stärker reguliert werden zu können. Dahinter versteckt sich der Hang zum Zentralismus: von der einheitlichen Währung bis zur Vereinheitlichung von Bildungsstandards (Pisa & Bologna) für alle europäischen Kulturen. Alles würde letztendlich in der einen europäischen Sprache gipfeln.

So liegt es nahe, zwei oder drei Schritte zurückzugehen, sich den Koloss Europäische Union aus der Entfernung zu betrachten: „Size matters“ – warum?

Die Geschichte hat uns gelehrt, dass kleinere wirtschaftliche Einheiten oftmals erfolgreicher sind, als schwer lenkbare Wirtschaftsblöcke. Im Zentrum Europas finden wir die Überreste ehemaliger Großmächte: Österreich und Deutschland, beide Nationen sind mit ihren Großmacht- und Vorherrschaftsambitionen kläglich gescheitert. So aber auch gesund zusammengeschrumpft auf eine wirtschaftliche Größe, die schon Leopold Kohr gutgeheißen hat. In seinem Buch „Breakdown of Nations“, das er bereits in den 50iger Jahren verfasst hatte, erklärte der Alternativnobelpreisträger von 1981: „Größe ist ein Problem, das immer zu nur noch größeren Problemen führt.“ Auch die einstigen Groß- und Regionalmächte wie Schweden oder Serbien kennen den gewinnbringenden Verlust ehemaliger “Größe”.

Das Geheimnis des Erfolges bleibt die Subsidiarität. Mit dem Bankgeheimnis alleine lässt sich die Wirtschaftskraft der Schweiz nicht erklären. Ihr liegt die subsidiäre Gesellschaftsordnung zugrunde, eine starke und lebendige direkte Demokratie mitsamt einem kleinen Verwaltungsapparat. Es geht primär um das Koordinationsverhältnis von politischer und gesellschaftlicher Ordnung. Im Vordergrund stehen dabei die Eigenverantwortung und der Gestaltungsfreiraum des Einzelnen.

Sogar die Wirtschaftsgroßmacht USA verdanken ihren Erfolg dem Pioniergeist, der Eigeninitiative und der Eigenverantwortung, mit der das Unternehmertum den Norden der USA besiedelt und gestaltet hatte. Es dauerte nur wenige Generationen, bis die sogenannte alte Welt überholt war.

Vieles spricht dafür, und das ist – zugegebenerweise – in Krisenzeiten leichter, das oft postulierte “Europa der Regionen” als Europas größte Chance zu bezeichnen, wenn wir neben Wohlstand und Stabilität auch unsere kulturelle Vielfalt erhalten wollen. Jede Region ist am erfolgreichsten, wenn sie sich auf ihre eigenen Stärken konzentrieren kann und nicht passiv auf die Hilfe des Anderen wartet. Das gilt auch für jeden Einzelnen von uns. Trotzdem müssen wir den Staat aber akzeptieren, er ist nicht nur für die Rahmenbedingungen verantwortlich, in denen sich die Wirtschaften bewegen(!) können, sondern auch für die allgemeine Sicherheit und für die rechtsstaatliche Ordnung.

Wie umfangreich die staatlichen Aufgaben wirklich sein sollen und wie stark genau dieser Punkt von den Bürgern mitbestimmt werden soll, wird auch in den bevorstehenden Jahren zentraler Bestandteil vieler Streitgespräche bleiben. Wer sich erst jetzt in die Debatte einschaltet, der wir bald erkennen, dass sich der Staat schon längst selbst dazu ermächtigt hat, mehr und mehr Macht zu bekommen und diese auch auszuüben.

Wie viel Macht geht heute noch vom Volk aus?

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